Vom prähistorischen Pfahlbau zur südostasiatischen Stelzenarchitektur

Die Heimat eines Schimpansen könnte der Ort sein, an dem wir die Ursprünge der gesamten menschlichen Spezies finden können.
— Alexander Piel, Anthopologe

Auch heute im Reconnection-Zeitalter ist das Baumhaus nicht nur ein Kindertraum, sondern die perfekte Mischung aus Abenteuer und Gemütlichkeit. Disney hat das bereits in den Verfilmungen von Tarzan oder Peter Pan verstanden, in denen sich die Protagonisten geübt zwischen den Baumwipfeln bewegen.

Diese Faszination ist sogar bezifferbar: So soll der Umsatz des globalen Baumhaus-Tourismus bis 2028 jedes Jahr um etwa 9 Prozent wachsen, laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Grand View Research. Im Jahr 2020 wird der Markt auf knapp 170 Millionen € geschätzt. Baumhaushotels bieten LuxusurlauberInnen in den USA oder tropischen Breitengraden wie Thailand und Costa Rica einen unverwechselbaren Abenteuerurlaub.

Egal ob prähistorischer Pfahlbau, südostasiatische Stelzenarchitektur oder touristische Baumhausunterkünfte, die Vorteile gegenüber einer herkömmlichen Bauweise sind vielseitig: Die aufgeständerte Bauweise bietet eine Form des Naturschutzes, indem biodiverse Flächen erhalten bzw. gefördert werden. Wirtschaftlich wird die Aufständerung der Bauten durch die Möglichkeit der Mehrfachnutzung von Flächen unterstützt, und es kann sogar von einem Flächengewinn gesprochen werden, wenn Stelzenhäuser auf dem Wasser neuen Lebensraum erschließen.

Die Begeisterung für Stelzenhausarchitektur geht weit über die nostalgische Sehnsucht hinaus. Diese Art von Unterkunft fördert die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden auf einzigartige Weise. Der Aufenthalt zwischen den Baumwipfeln, inmitten der Natur, bietet eine tiefe Verbindung zur Umwelt, die in unserem hektischen Alltag oft verloren geht. Der Aufenthalt in einem Baumhaus ermöglicht es dir, die beruhigende Wirkung der Natur voll auszuschöpfen, weit weg von den Ablenkungen des städtischen Lebens.

Durch die Vermeidung von Flächenversiegelung schützen Stelzenbauten natürliche Lebensräume. Durch die Erhöhung der Bauweise wird der Boden kaum gestört, was den ökologischen Fußabdruck minimiert und die lokale Flora und Fauna schützt. Die aufgeständerten Strukturen fügen sich harmonisch in die Umgebung ein und ermöglichen es, die Natur in ihrer ursprünglichen Form zu erhalten. Dies schafft nicht nur einen einzigartigen Lebensraum für die Gäste, sondern auch für die Tier- und Pflanzenwelt.

Im Reconnection-Zeitalter, in dem das Bedürfnis nach einer tiefen und authentischen Verbindung zu sich selbst und der Natur immer größer wird, bieten Stelzenhäuser die perfekte Lösung. Sie vereinen Abenteuer und Gemütlichkeit, Schutz der Umwelt und Förderung des persönlichen Wohlbefindens. Indem du in einem Stelzenhaus übernachtest, erlebst du nicht nur einen unvergleichlichen Abenteuerurlaub, sondern trägst auch aktiv zum Schutz und zur Erhaltung der Natur bei.

Die ersten Stelzenhäuser im Alpenraum existierten bereits als prähistorische Seeufersiedlungen 5.000 bis 500 Jahren vor Christus, sprich im sogenannten Jungneolithikum, der Bronze- sowie der frühen Eisenzeit. Aufgrund der Nähe zum Wasser sind einige der Pfahlunterkonstruktionen dieser Siedlungen durch die Konservierungsbedingungen im Wasser besonders gut erhalten, weshalb sie seit 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen.

Aus heutiger Sicht sind diese prähistorischen Siedlungsüberreste sehr bedeutsam für die Erforschung früherer Agrargesellschaften, deren Anpassung an ihre Umwelt sowie sich verändernde klimatische Bedingungen.

Doch warum baute man bereits vor über 7.000 Jahren auf Stelzen? Der ursprüngliche Sinn hinter der Aufständerung der Wohnhäuser bestand in der Absicherung vor Raubtieren und feindlichen Nachbarn, sowie schädlichen Bodenausdünstungen. Dabei waren die Pfähle entsprechend bearbeitbarer Baumstämme nie stärker als fünfzehn Zentimeter und die Höhe rangierte je nach Wasserniveau zwischen drei und fünf Metern.

Heute finden sich solche Stelzenhaussiedlungen vermehrt in Südostasien, Südamerika, Westafrika, Chile oder Neuguinea, wobei kein Zusammenhang zwischen der heutigen Architektur und bronzezeitlichen Alpen-bewohnerInnen besteht. Die einzige Gemeinsamkeit dieser beiden Kulturen besteht – so einfach es sein mag - im Leben auf dem Wasser.

Auch hierzulande treten vielerorts Baumhausarchitekturen in Erscheinung. Doch woher rührt diese neu entdeckte Faszination für Stelzen- bzw. Baumhausarchitektur? Der Anthropologe Alexander Piel vom University College London erkennt einen Zusammenhang zwischen dem Lebensraum menschlicher Vorfahren und der heutigen adoleszenten Baumhaus-Begeisterung: Entgegen ursprünglicher Annahmen, der Menschenaffe habe das Laufen auf dem Boden erlernt, wird heute angenommen, dass unsere Vorfahren höchstwahrscheinlich in Baumkronen zu laufen begannen.